Der Fotograf als Entdecker

Es gibt 2 grundsätzliche Wege, wie ein Motiv für ein Bild zustande kommt: Der Fotograf entdeckt das Motiv bei passender Gelegenheit oder er inszeniert ein Motiv nach seinen eigenen Vorstellungen. Auf Letzteres wird hier nicht weiter eingegangen. Die folgenden Ausführungen sind auch nicht für Spaziergänge mit Partner und Kindern hilfreich, weil sie nach Zeit für ein aufmerksames Fotografieren verlangen.

Entdecken von Motiven

Vor kurzem bat mich jemand, seinen Blumengarten zu fotografieren. Dieser Garten war mir nicht bekannt. Ich musste folglich ihn als erstes einmal  besichtigen, den Charakter des Gartens und fotografierenswerte Motive entdecken. Im folgenden werde ich meine Vorgehensweise skizzieren, wenn ich ohne vorgegebenes Konzept fotografiere.  Mein Vorgehen orientiert sich am kontemplativen Fotografieren –  ohne dessen buddhistische Hintergründe und Medidationspraktiken aufzugreifen (>>> ein Einstieg zum Beispiel)

Man sieht nur, was man kennt …

Als erstes machte ich mir zuhause die Aufgabenstellung und meine Ziele klar. Ich wollte bei einem einzigen Besuch des altbayerischen Blumengartens das Wechselspiel der Farben genießen und in Bildern festhalten. 

In meinen Bildern sollte sich der Garten treffend widerspiegeln. Nachdem ich nicht zum ersten Male Blumen und Bildgeschichten fotografiere, sind mir die Anforderungen grundsätzlich bewusst. Um das Relevante zu entdecken, muss man schon über Grundkenntnisse verfügen. Wie bereits Altmeister Goethe sagte, sieht man nur das, was man kennt. Und ich möchte hinzufügen, dass man sich daneben dem Unbekannten offen und unvoreingenommen nähern sollte.

Die folgenden Überlegungen geben darum auch Anhaltspunkte, wie Unbekanntes oder Unbedachtes in Bilder umgesetzt werden kann.

Eine kleine Auswahl der entdeckten Motive:

Einstimmung in den Blumengarten

In der kontemplativen Fotografie kommt es weniger auf Techniken oder zu beachtende Regeln an als auf ein frisches, konzeptfreies “Sehen”, das entsteht, wenn Geist, Auge und Herz im Einklang sind (Jürgen Heitmann).

Um in eine solche Stimmung zu kommen, nehme ich mir Zeit, besichtige als erstes die möglichen Motive und ihr Umfeld, mache gelegentlich ein Foto. So stimmte ich mich positiv auch auf den Blumengarten ein. Lasse quasi die Motive auf mich zukommen.

Oft habe ich da für mich festgestellt, dass ein kleiner Espresso eine entspannte und doch angeregte Achtsamkeit bringt. Medidationstechniken kann ich dagegen nicht.

Entdecken durch Achtsamkeit auf den Moment

Beim Fotografieren bemerkte ich, dass der Garten eigentlich aus drei unterschiedlichen Bereichen bestand. Um mich nicht in der Fülle der Eindrücke zu verlieren, machte ich mich Bereich für Bereich auf die Entdeckung der Gartenmotive. Ich ließ so Blumen und Kleingetier der einzelnen Gartenbereiche auf mich wirken, “umschwirrte” Blüten, Samenkapseln und Bienen/Fliegen sowie Gartendeko – und machte Bild für Bild, gerade wie mich meine Eindrücke führten.

Ich bemühte mich, im scheinbar Gewöhnlichen das Ungewöhnliche zu entdecken. Schönheit aufzuzeigen, die normalerweise unentdeckt bleibt.

Dabei fotografierte ich im jeweiligen Moment WAS ist, WIE es ist, ohne jedoch groß zu analysieren, zu werten oder zu beschreiben. Natürlich schwangen bei allem Fotografieren meine fotografischen Fertigkeiten instinktiv mit.

Der berühmte Fotograf Henry Cartier-Bresson sagte einmal, Denken sollte man vorher und nachher, aber niemals während ein Foto aufgenommen wird. Also findet das Denken vorher beim Überlegen der Aufgabenstellung, des roten Fadens, des Konzeptes bzw. nachher bei Auswahl und Bearbeitung der Aufnahmen statt. Man will ja nicht nur ästhetische, sondern auch relevante Bilder machen.

Ab dem Zeitpunkt – an dem ich bemerkte, dass ich immer wieder an den Stellen im Garten vorbeikam, die ich bereits schon auf mich hatte wirken lassen – ergab sich das Gefühl, mein Thema für den Moment ausreichend bearbeitet zu haben. Abschließend prüfte ich, ob ich ausreichend Bilder habe, welche sich als Einstieg oder als Abschluss der Bildstrecke eignen bzw. einen Überblick für eine bessere Orientierung bieten.

Das Spiel mit den Farben

Die Bilder wurden zuhause mittels Lightroom gesichtet und bewertet, Ziel war ja eine ansprechende, liebevolle Dokumentation des Blumengartens. Dabei ging es darum Gutes im Detail zu entdecken und unbefriedigende Bilder auszusortieren. In obiger Galerie ist nur ein kleiner Ausschnitt aller fotografierten Bilder zu sehen. 2 Drittel aller Aufnahmen wurden gleich zu Beginn der Nachbearbeitung aussortiert.

Übrig blieben Bilder zur Hinführung auf den Garten, Bilder der 3 Gartenbereiche und Bilder für den Abschluss. Mit Lightroom und Photoshop wurden dann die Bilder hinsichtlich Bildausschnitt, Farben, Lichtstimmung und (Un)Schärfen optimiert.

Für den Fall, dass ich nicht ausreichend brauchbares Bildmaterial zusammen bekommen hätte, wäre ich nochmals in den Blumengarten gegangen.

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6 Responses so far.

  1. Ludwig Wiese sagt:
    Deine Fotos zeigen sehr schön, wie vielfältig die Naturkreationen in Form und Farbe wirken. Ich vermute jedoch, dass der Gartenbesitzer andere Bilder erwartet. Wie Du schreibst, sollte sich der Garten treffend widerspiegeln.
    Die meisten Deiner Motive können jedoch irgendwo fotografiert worden sein. Man erhält kaum einen Eindruck von der Individualität des Gartens.
    In meinem Blogbeitrag „Ist eine Bildaussage Pflicht?“, erkläre ich ein Schema zur Bildinterpretation (zum Beitrag: https://www.w-fotografie.de/ist-eine-bildaussage-pflicht). Aus meiner Sicht ist ein wichtiger Aspekt der Bildaussage die Wirkung auf den Betrachter, also den Gartenbesitzer oder den Interessenten, der einen Eindruck von der Individualität des Gartens erhalten soll.
    • Hallo Ludwig,
      vielen Dank für Dein Feedback. Deine Anmerkungen zielen in eine andere Richtung als ich in dem Blog-Beitrag herausarbeiten wollte. In meinem Blog sollte nicht ein Garten umfassend dargestellt werden und auch nicht seine Beziehung zur Besitzerin. Anmerkung Diese erhielt von mir wesentlich mehr Bilder über ihren Garten – Teile vom Haus, Gartenutensilien, Menschen, Besitzerin selber und Ehegatten usw. Ihre Erwartungen wurden mehr als erwartet erfüllt. Die Personenbilder habe ich im Blog wegen der DSGVO weggelassen.

      Meine Ausführungen drehen sich um eine Vorgehensweise beim Fotografieren (Der Fotograf als Entdecker), orientiert an der kontemplativen Fotografie. Sie sind also eine Methodenschreibung und keine Gartenbeschreibung.

      Ich habe Deine Ausarbeitung ja schon früher einmal studiert, bin mittlerweile nicht mehr zwingend der Meinung, dass eine Bildaussage in jedem Fall erforderlich ist. Ein Bild sollte was Besonderes (Wow-Effekt) beinhalten. Es kann eine besondere Aussage / emotionale Wirkung / Bildgestaltung oder Technik oder eine beliebige Kombination dieser 4 Aspekte aufweisen. Der Wow-Effekt bestimmt sich auch aus der anvisierten Zielgruppe.

      Aber die von Dir genannten Koryphäen überzeugen mich in keinster Weise. Wenn ein Fotograf immer nur Ästhetik bzw. Wettbewerbsorientierung in seinen Bildern verfolgt, ist mir das viel zu wenig.

  2. Walter Schneider sagt:
    Schöne Nahaufnahmen. Aber wie sieht der Garten aus, was hat er Besonderes? Wie passt er zum Haus, zum Besitzer?
    • Hallo Walter,
      vielen Dank für Dein Feedback. Deine Fragen zielen in eine andere Richtung als ich in dem Blog-Beitrag herausarbeiten wollte. In meinem Blog sollte nicht ein Garten umfassend dargestellt werden und auch nicht seine Beziehung zur Besitzerin. Diese erhielt von mir wesentlich mehr Bilder über ihren Garten – Teile vom Haus, Gartenutensilien, Menschen, Besitzerin selber und Ehegatten usw.

      Meine Ausführungen drehen sich um eine Vorgehensweise beim Fotografieren (Der Fotograf als Entdecker), orientiert an der kontemplativen Fotografie. Sie sind also eine Methodenschreibung und keine Gartenbeschreibung

  3. oli Schlecht sagt:
    Ich würde mir gerne erlauben die Überschrift gerne anzupassen: “Man sieht nur, was man ERkennt …”.
    Auf Reisen zB ist man in exotischen Gegenden die gänzlich anders sind als Zuhause. Dort kann ich weniger die Motive fotografieren die ich kenne – nur diese, die ich ERkenne.
    Ich stimme aber voll und ganz zu – ohne den Geist, die Sinne und das Herz zu öffnen werde ich nichts ERkennen.
    Für mich persönlich ist der Spagat bei Familienausflügen zwischen der Aufmerksamkeit gegenüber der Familie und dem was mich umgibt oftmals zu groß, sodass ich tatsächlich manchmal ohne ein Bild nach Hause komme.
    Ich freue mich für jeden der das besser kann oder der mehr Freizeit hat mit offenem Herzen auf die Bildersuche gehen zu können.
    • Danke für den vertiefenden Kommentar, den ich voll unterschreiben kann. Die beschriebene Vorgehensweise lässt sich ganz klar nicht bei Familienausflügen realisieren, sondern kann am besten umgesetzt werden, wenn man ein Vorhaben alleine auf sich gestellt fotografiert. Bei Motiven, die ich dann nicht kenne, gehe ich kontemplativ vor – ich fotografiere, so offen und flexibel es geht, WAS ist und WIE es ist. Im Nachgang versuche ich dann tiefer zu steigen, wenn mich das Motiv nach wie vor anspricht.

      Wenn ich mit anderen unterwegs bin, versuche ich auch, das WAS und WIE festzuhalten. Dabei kommt mir zugute, dass ich doch recht schnell fotografieren kann – vorausgesetzt, meine Begleitung hat dafür Verständnis.

      Wenn ich auf Reisen gehe, dann fertige ich mir vorher als Ergänzung zu vorhandener Literatur anhand von Internet-Informationen meinen persönlichen Reiseführer (durchaus 30 Seiten und mehr) an. In diesem sammle ich zuhause, was ich für mich entdecken möchte. Jedoch freut es mich sehr, wenn ich vor Ort ungeplante Entdeckungen machen kann.

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