Den Bildinhalt auf das Wesentliche zu reduzieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben von Fotograf*innen. Die konsequenteste Form dieses Ansatzes ist der Minimalismus, die Reduktion auf die Essenz eines Bildes bis hin zur Abstraktion. Insofern sind die Grundsätze der Minimalistischen Fotografie für die eigene Fotografie wichtig.

Auf diese soll im folgenden eingegangen werden. Die Texte auf dieser Seite spiegeln meinen momentanen Erfahrungsstand wider, den ich mir durch Recherchen im Internet, Workshops und Jurierungen zum Thema “Minimalismus” erworben habe. Durch Flipbooks stehen an verschiedenen Stellen weitere Anregungen und Bildbeispiele bereit. Die Flipbooks sind in erster Linie Ideensammlungen in Folienform, welche sich als Input für Workshops eignen und weniger für ein umfassendes Selbststudium.

 

1 Von der Kunst der Reduktion

Definition „Minimalistische Fotografie“

„Die Konzentration auf nur wenige Bildkomponenten erfordert eine radikale Selektion durch den Fotografen. Wenn uns diese Reduktion oder Leere in den Bann zieht, dann ist ein minimalistisches Bild gelungen.

Die Schwierigkeit besteht darin, mit wenigen Elementen Emotionen beim Betrachter zu wecken. Ein minimalistisches Foto ist ein vermeintlich unvollständiges Bild, das in der Phantasie des Betrachters vervollständigt wird.
Daher wird eine minimalistische Fotografie auch unterschiedlichste Wahrnehmungen auslösen“
(Holger Nimtz, Fotograf)

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Aus aktuellem Anlass

 

 

2 Magisches Dreieck des Minimalismus

Der Begriff “Minimalismus” lässt sehr viel Spielraum. Es kann nicht einfach, z.B. durch eine Checkliste, gesagt werden, ob ein Bild mit reduziertem Inhalt ab welchem Grad minimalistisch ist.

Bei der minimalistischen Fotografie kommt es meiner Meinung nach insbesondere auf folgende 3 Schwerpunkte an:
1. Radikale Selektion
2. Anziehungskraft minimalistischer Bilder
3. Vervollständigung in der Phantasie

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3 Minimalistische Motive erkennen anhand einer Aussage/Idee

Ein Motiv einfach/schlicht zu fotografieren ist Grundstein für ein minimalistisches Bild. Dazu gehört, einen Eye catcher zu finden und mit einfachen Mitteln dem späteren Bildbetrachter Interpretationshilfen zu
bieten. Was der Betrachter erkennen soll, hängt von der Aussage/Idee ab,
die man im Bild haben will.  Folglich sind diese der Dreh- und Angelpunkt
bei Minimalisierungsentscheidungen.

Wie aber erkenne ich Motive mit Minimalisierungspotential ?
Aufgrund der Analyse im Internet vorgefundenen Bilder stelle ich
folgende 3 Arten minimalistischer Fotos zur Diskussion:

  • Ästhetisch – Einfach, sanft, ruhig
  • Plakativ – Einfach, anregend
  • Dunkel – Einfach, bedrängend

Bei der Art “Dunkel” tritt der Effekt ein, dass durch den Simultankontrast
von dunklen/schwarzen Bildteilen Farben kräftiger wirken. Dies ist
aber gegenläufig zur Reduktionen im Bild.

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Ästhetisch – Einfach, sanft, ruhig

Plakativ – Einfach, anregend

Dunkel – Einfach, bedrängend

4 Radikal selektieren

IRIS ist eine Methodik, welche den Weg zu einer guten Fotografie aufzeigt. Wie könnte mit Hilfe von IRIS die Reduktion durch Fotograf*in geschehen ?

Minimalismus-Ansatz öffnet dabei (gedankliche) Räume im Bild, erzeugt ein Gefühl der Ruhe. Denn die Bildkomposition lässt sich vom „Weniger ist Mehr“ leiten. Dies wirkt sich auf die ersten 4 Gestaltungskriterien von IRIS aus:

  1. Bildformat, – ausschnitt
    Eine erste Auswahl der Bildelemente inklusive des Eye catchers wird getroffen. Oft gibt man dem Motiv viel Luft (negative space) zum Atmen, zum Wirken.
  2. Annäherung, Erkennbarkeit
    Bildelemente sind in der Regel wenige und gut erkennbar, weil nicht zuletzt der Hintergrund zurückhaltend ist
  3. Blickwinkel, Räumlichkeit
    Perspektive lenkt den Blick auf das Motiv.
  4. Komposition: Bildelemente
    Linien und Formen sind knapp, prägnant und gut platziert.

 

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Art Minimalismus: Plakativ

Art Minimalismus: Plakativ

5 Anziehungskraft minimalistischer Bilder gestalten

Anziehungskraft des Bildes wirkt, wenn beim „ersten Blick“ des Betrachters Erwartungen und Empfindungen getroffen werden und seine Bereitschaft, sich mit dem Bild zu beschäftigen, geweckt werden kann.

Diese „Liebe auf den ersten Blick“ hängt sehr stark von der emotionalen Wirkung des Bildes ab. Gestalterisch gekonnt in ein minimalistisches Bild umgesetzte Aussagen / Ideen entwickeln eine Anziehungskraft, wenn auf emotionaler Ebene ausreichend Wohlgefühl bzw. Anregung, also das „gewisse Extra“, erzeugt wird.

Die emotionale Wirkung entsteht, wenn es Fotograf*in gelingt, dem Bild das gewisse Extra zu geben, etwa durch

  • Blickwinkel,
  • Farben,
  • Lichtstimmung und
  • Einsatz von Unschärfen

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Art Minimalismus: Plakativ / Dunkel

Anziehungskraft durch Farben

Farben haben Einfluss auf die Emotionen des Bildbetrachters. Sie können angenehm aber auch unangenehm berühren. Sie sprechen dabei erlernte Denk-/Gefühlsmuster an.

Nach der Farbe reagiert unser Auge auf Formen und Linien (Dreieck, Kreis, Quadrat, Stern…). In einem sehr unruhigen und wirren Umfeld setzt beispielsweise ein klar konturierter Kreis einen besonderen Akzent. In einem sehr ruhigen und weichen Umfeld fällt ein eckiges Element stärker ins Auge.

Die Farbgebung unterstützt die Form und bringt sie besonders gut zur Geltung. Durch eine gelungene Form wiederum wird die Wirkung einer Farbe unterstrichen und hervorgehoben.

Die Farbgestaltung minimalistischer Bilder bewegt sich von schwarz-weißen, monochromen, ähnlichen hin zu komplementären Farbkontrasten.

Art Minimalismus: Plakativ / Dunkel

Licht & Schatten als Reduktionsmittel

Die Lichtstimmung eines Bildes kann aus Normalem etwas Besonderes machen. Erst die richtige Lichtführung macht mehr aus einem Bild:

  • Gestalten der Bild-Stimmung,
  • Mehr Plastizität,
  • Balance von Hell und Dunkel im Bild

Die Beleuchtung trägt durch die Schattenbildung wesentlich zum Räumlichkeitseindruck bei. Bei minimalistischen Bildern soll aber durch Licht zwar die Anziehungskraft der Bilder verstärkt werden, aber, falls möglich, die Bildelemente weiter reduziert werden. Bei minimalistischen Bildern wird daher gerne die Plastizität reduziert.

Sie sind daher

  • meist flacher im Bildeindruck,
  • zudem gerne heller angelegt, d.h. in den hellen Stellen werden die Details reduziert, und
  • eher seltener in Richtung low key ausgearbeitet, d.h. in den dunklen Stellen werden die Details reduziert.

Art Minimalismus: Ästhetisch

 

Art Minimalismus: Plakativ

Unschärfen als Reduktionsmittel

Neben unvollständiger Darstellung von Bildelementen erzeugen Unschärfen Fragen als Impulse für eigene Interpretationen. „Für viele …. ist Schärfe das Wichtigste. Dabei steckt gerade in der Unschärfe viel Potenzial zur Gestaltung.“

Emotional ansprechendere Bilder entstehen durch gekonnten Einsatz von Unschärfen:

  • Selektive (Un-)Schärfe,
  • Bewegungsunschärfe (da Objektiv oder das Motiv sich bewegt),
  • Gestaltung mit Unschärfen

Gekonnt gesetzte Unschärfe lässt ein Foto erst emotionaler wirken:

  • Sich nicht auf scharfe Punkte fixieren zu müssen lässt den Gedanken freien Lauf.
  • Unschärfe / Weichzeichnen sind ein beliebtes Stilmittel, um eine romantische Grundstimmung zu schaffen.
  • Unschärfe erzeugt gewisse Distanz und Rätselhaftigkeit im Bild, was wiederum unser Interesse weckt.
  • Mystische Wirkung kann durch Unschärfe betont werden.


Art Minimalismus: Ästhetisch

 

Art Minimalismus: Plakativ

5 Phantasie vervollständigt

Wer minimalistische Bilder anfertigt, kennt die Frage “Wieweit kann Reduktion der Bildkomponenten gehen ?
Die Aussage “Lasse alle Details in Deinen Bildern, welche die Botschaft des Bildes nicht unterstützen, einfach weg.” ist zwar richtig, sagt aber im konkreten Fall nicht, ob man schon ausreichend reduziert hat. Das Flipbook enthält auf einer Folie eine Checkliste, mit welcher systematisch ein Bild geprüft werden könnte, wie hoch der Minimalisierungsgrad ist.

Denn die Reduktion der Bildkomponenten im minimalistischen Bild findet in der Phantasie der Betrachter*innen ihre Grenzen. Betrachter*in sieht nur das, was er/sie

  • im Unterbewusstsein mit dem reduziertem Bildinhalt verbindet,
  • aufgrund seines Wissens grundsätzlich kennt oder
  • aufgrund seiner Erwartungen und Vorlieben sich erarbeiten kann und will.

Es ist also hilfreich, wenn die Zielgruppe der Bilder die gleiche Wellenlänge wie die Fotografin bzw. der Fotograf hat. Das aber lässt sich leider nicht präzise bestimmen.

Betrachter*innen sollen also den unvollständigen Inhalt eines minimalistischen Bildes in ihrer Phantasie wieder zu einem für sie stimmigen Bild ergänzen. Dieses muss dann nicht identisch mit den Vorstellungen der Fotografin bzw. des Fotografen sein.

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6 Wann entsteht ein minimalistisches Bild ?

Es stimmt zwar, dass minimalistische Motive überall gefunden werden können. Aber Motive, welche das von mir so bezeichnete “Magische Dreieck” erfüllen, sind nicht so leicht zu finden und zu fotografieren. Ein minimalistisches Bild sollte für Puristen idealerweise schon bei der Aufnahme entstehen.

Wie fündig Fotograf*in in seiner/ihrer vertrauten Umgebung wird, hängt von den dort anzutreffenden Motiven und der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit ab. Fotograf*innen müssen anders als Maler mit dem auskommen, was sie vorfinden und ablichten können. Nicht ohne Grund unternehmen viele Fotograf*innen weite Reisen, um an spektakuläre Motive zu kommen. Und dies gilt natürlich auch für minimalistische Fotografien.

Deshalb finden sich ferner oft auch minimalistische Motive in den Medien, die künstlich aufgebaut, also inszeniert werden. Dann wiederum kann auch in der Bildbearbeitung das Motiv auf minimalistisch getrimmt werden – zumal oft die Grenze zwischen Verbesserungen eines minimalistisch aufgenommenen Motives und einer Minimalisierung per Bildbearbeitung fließend sind.

5 Stufen einer mehr oder minder geglückten Minimalisierung in Lightroom am PC

 

Richtig aufgenommen spart Zeit und ist authentischer. So gesehen liefert ein minimalistisch fotografiertes Motiv den besten Input für alle Folgeschritte – auch wenn es mehr Einsatz bei der Aufnahme verlangt.

 

 

 

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