Für die Gestaltung der Farben in einem Bild sollte klar sein, was mit den Farben erreicht werden soll: Geht es um eine möglichst realitätsgetreue Farbwahl oder den Ausdruck dessen, was man subjektiv empfindet oder beim Betrachter auslösen will ? Farben können angenehme oder unangenehme Emotionen auslösen.
Was lösen folgende Bildbeispiele aus? Sie folgen den Farben im Ittenschen-Farbkreis:
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Mit Farben Emotionen auslösen
“Jede Farbe hat eine andere Wirkung auf unsere Psyche und unseren Körper, denn jede Farbe besitzt eine für sie typische Wellenlänge und Energie, die sich auf unsere Körper überträgt”. Auf eine derartige Aussage trifft man im Internet an vielen Stellen.
Das Wissen um die Wirkung von Farben spielt auch für Fotografen eine wichtige Rolle. Empfehlungen zur Farbennutzung gibt es in Unmengen. Ich möchte daher eine Auswahl treffen und unter folgenden Überschriften zusammenfassen:
Realitätsgetreue Farben oder Farben nach persönlichem Empfinden
Oft sind Farben für den Fotografen einfach gegeben - zum Beispiel in der Landschafts-, Produkt- oder Portraitfotografie. Die Möglichkeiten, Farben nach bestimmten Regeln zu gestalten, sind begrenzt, wenn Farben möglichst realitätsgetreu sein müssen. Abänderungen sind nur über glaubhafte Inszenierungen möglich.
Wer aber in den Farben sein persönliches Empfinden ausdrücken will, greift schon in der Aufnahmevorbereitung, während der Aufnahme und später bei der Bildbearbeitung ein. Regeln der Farbgestaltung geben einen Orientierungsrahmen. Die letzte Entscheidung trifft jedoch die Fotografin bzw. der Fotograf, damit das Bild seinen Vorstellungen entspricht.
Aufgaben der Farben
- Farben fördern die Bildaussage; sie helfen entweder das Bild besser zu verstehen oder fordern Betrachter, weil sie Fragen/Unklarheiten hervorrufen.
- Farben haben emotionale Wirkung auf uns als Betrachter; sie erzeugen Stimmungen und jeder von uns hat seine Lieblingsfarbe(n).
- Farbe kann den Fokus setzen; Aufmerksamkeit mit Fotografien erzeugen, aber auch Geschichten erzählen und Stimmungen vermitteln helfen.
- Aber Schwarz-Weiß ist ausreichend, wenn Farbe nicht notwendig ist, weil Bild nur klar gestaltete Formen und Strukturen im passenden Licht sowie mit erforderlicher Schärfegestaltung braucht .
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Ein Überblick
Hier sollen keine tiefen psychologischen Betrachtungen angestellt werden. Stellvertretend deutet ein Diagramm an, in welche Richtung einzelne Farben wirken können. Es basiert auf einem Video von Pavel Kaplun, welches auch weitere Anregungen enthält - vor allem ab Minute 16:27 :
https://www.youtube.com/watch?v=TKtiw53544c&feature=youtu.be&fbclid=IwAR2QoChjFJgxY2mgO-mafWgotTtDVooU9ykl7_cQSV9846cDUXdbIGTbZaU

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Eine Gedächtnisstütze
Viele Empfehlungen zur Farbauswahl habe ich in ein Excel-Spreadsheet gegeben, damit ich sie mir nicht merken muss. Die Empfehlungen geben mir bei konzeptionellen Arbeiten eine Orientierung; siehe Rubrik A [...der Excel-Datei]
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Einflussfaktoren für Farbwirkungen
Viele Einflussfaktoren spielen bei der Wahrnehmung und Interpretation der Farbe eine Rolle. Sie stammen aus dem öffentlichem Leben und dem ganz persönlichen Umfeld;
Beispiele:
- Kulturelle Einflüsse (Wusstest Du, dass Trauerkleidung in China weiß ist?)
- Beeinflussung durch Erinnerungen
- Farbfehlsichtigkeiten (z. B. Rot- oder Grünschwäche oder Verfärbung der Linse)
- Beleuchtung (Metamerie)
Schöne oder hässliche Farben und Farbkombinationen gibt es nicht. Es gibt nur Farben, welche positive oder negative Emotionen berühren und entsprechende Assoziationen auslösen.
Die Botschaft einer Farbe „entsteht im Kopf und im Bauch des Menschen“. Deswegen gibt es keine eindeutige Wirkungen von Farben.
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Wer hat welche Lieblingsfarben?
Je nach Zielgruppe sprechen unterschiedliche Farben die Fotograf*innen bzw. Betrachter an (Quelle: Harald Braem, „Die Macht der Farben“):
Zielgruppe
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Bevorzugte Farben
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Kinder: |
alle Grundfarben, kaum Mischfarben |
Jüngere Menschen: |
helle, lebhafte Farben |
Pubertät: |
plötzlich seltene, problematische Farben |
Erwachsene: |
satte, glänzende Farben, Mischtöne |
Ältere Menschen: |
dunkle, abgeschwächte Farben |
Höheres Einkommen: |
Pastelltöne, Farbkompositionen, abgestufte Farbnuancen (Ton in Ton), zarte, gediegene Farben |
Niedriges Einkommen: |
glänzende, unkomplizierte Farben, auch "knallige Töne" |
Stadt: |
eher kältere Farben, Pastelltöne, Bevorzugung von grün und blau |
Land: |
satte Farben, Bevorzugung von Rot und Mustern |
Kopfarbeit: |
Blau |
Handarbeit: |
Rot |
Introvertierte: |
schwere dunkle Farben, Mischfarben |
Extrovertierte: |
stark glänzende Farben, Vollfarben |
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Abwägen von Harmonie und Spannung
Gerade wenn ein Foto eine bestimmte Stimmung vermitteln soll, ist eine Farbwahl mit Bedacht sehr wichtig. Sie sollen ja mithelfen, das Interesse am Bild zu wecken und die Anzahl beteiligter Farben so festlegen, dass sie bestmöglich zur gewünschten Bildgestaltung passen.

Hier wird nun ein Ansatz auf der Basis Ittenscher Farbkontraste entwickelt. Dieser skizziert, wie bestimmte Farbkontraste für mehr Harmonie oder mehr Spannung im Bild eingesetzt werden könnten.
Mit Kopf und Gefühl
Auch wenn die Ansätze von Johannes Itten, Bauhaus-Lehrer in den Zwanziger-Jahren, nicht unumstritten sind, bieten sie doch Anhaltspunkte, worauf bei der Farbgestaltung zu achten wäre. Diese sollen eine bewusstere Wahl von Farben und einen kontrollierteren Einsatz von Bildbearbeitungsfunktionen ermöglichen.
Sie ersetzen aber nicht ein gefühlsorientiertes Bemühen um Farben, die zu Bildaussagen und -ideen passen. Im Gegenteil - Kenntnisse in Farbtheorien und emotionale Herangehensweise in den verschiedenen Schritten ergänzen sich.
Die Farbwahl soll durch richtige Balance und Spannung den Betrachter an Dein Bild binden.
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Balance von "Wohlgefühl" und "Anregung"
Farben sollen die Aussagen und Ideen im Bild unterstützen.
Harmonische Farbgestaltungen in Fotos zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf den Betrachter angenehm wirken. Eine Komposition aus Farben, die miteinander harmonieren, führt zu einem positiven Gesamtbild (Wohlgefühl). Will man zu viel Harmonie, kann ein Bild langweilig werden.
Farbkontraste heben dagegen hervor, verdeutlichen Unterschiede und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Ein Farbkontrast erzeugt Spannung, die lebendig, erfrischend oder aber anstrengend, unangenehm wirken kann.
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Daher werden bei den folgenden Überlegungen zur Farbgestaltung die Ziele "Wohlgefühl" und "Anregung" angestrebt.
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Relevante Emotionen
Wenn also die richtige Balance zwischen Wohlgefühl und Anregung gefunden werden soll, dann ist als erstes von Fotograf*in zu klären, was das Foto bewirken, also was Betrachter*in verspüren soll. Durch ein Foto können sowohl angenehme wie auch unangenehme Gefühle (Emotionen) ausgelöst werden.
In der Grafik sind Beispiele für Emotionen angeführt, welche ich gerne bei Konzeptarbeiten in Betracht ziehe und mir mit ihnen bewusst mache, ob und wie Wohlgefühl und Anregung ausgelöst werden.

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Instrumente zur Gestaltung der emotionalen Wirkung
Als Instrumente kommen die Ittenschen Farbkontraste zum Einsatz. In einem ersten Schritt wird die farbliche Grundausrichtung des Fotos in Hinblick auf die Ziele "Wohlgefühl" und "Anregung" erarbeitet. Diese sollen ja die jeweiligen Emotionen auslösen.
Farbliche Grundrichtung
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Einsatzweise der Kontrastart
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harmonisierend
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spannungsfördernd
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Komplement.-Kontrast |
großer Farbkontrast |
Spannend, verstärkend |
Farbe-an-sich-Kontrast |
zurückhaltend |
Bunt, ansprechend, lebendig |
Kalt-Warm-Kontrast |
Weit, warm, sonnig, beruhigend |
Nah, schattig, anregend |
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Wirkung |
Wohlgefühl |
Anregung |
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In einem zweiten Schritt wird die Grundausrichtung durch die Wahl der passenden Sättigung (S), Luminanz (L) und Mengenanteile (Quantitäten) optimiert.
Optimierungen
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Einsatzweise der Kontrastart
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harmonisierend
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spannungsfördernd
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Qualitätskontrast (S) |
Dezent: Zurückhaltend, benachbart |
Grell: Intensiv, in Vordergrund |
Hell-Dunkel-Kontr. (L) |
Hell: Heiter, freundlich, offen |
Dunkel: Bedrückend, nah |
Quantitätskontrast |
Flächig: Statisch, ausbalanciert |
Akzentuiert: betonend |
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Wirkung
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Wohlgefühl
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Anregung
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Wie dies praktisch erreicht werden kann, zeigen weitere, folgende Blog-Beiträge.
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Von den 7 Farbkontrast-Arten des Johann von Itten betrachte ich 3 als wichtig für die Grundausrichtung der Farben eines Fotos, welche ein Wohlgefühl erzeugen sollen:
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Wie dies praktisch erreicht werden kann, zeigen weitere, folgende Blog-Beiträge.
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Von den 7 Farbkontrast-Arten des Johann von Itten betrachte ich 3 als wichtig für die Grundausrichtung der Farben eines Fotos, welche Anregung erzeugen sollen:

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Wie dies praktisch erreicht werden kann, zeigen weitere, folgende Blog-Beiträge.
Mein Lösungsansatz:
Ittensche Farbkontraste für Harmonie und Spannung
Aus den Herleitungen der vorangegangenen Abschnitte lässt sich die erforderliche Vorgehensweise in einem Diagramm zusammenfassen. In einem ersten Schritt geht es also um die farbliche Grundausrichtung des Bildes, welche die beabsichtigten Aussagen und Ideen im Bild unterstützt.
Die Grundausrichtung wird durch die Anzahl der im Bild vorkommenden Farben geprägt. Unter “Farbe” werden nicht exakt ein einziger präziser Farbton verstanden, sondern Farbtöne aus einem mehr oder minder engen Bereich.
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Im zweiten Schritt wird die Grundausrichtung dahingehend optimiert, wie es das beabsichtigte Maß an Wohlgefühl und Anregung erfordert.
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Praktische Anwendungen dieses Konzeptes
Die bislang dargestellten Instrumente zeigen nur allgemeine Grundsätze und deren Begründung auf. In weiteren Blog-Beiträgen werden Schritte erklärt, die eine praktische Anwendung ermöglichen. Demnächst erscheinen Ausführungen zu:
– Systematische Analyse der im Bild vorhandenen Farben
– Farbkontraste der farbliche Grundausrichtung im Bild
– Farbkontraste zur Optimierung der Farbkomposition
– Gestalten des „gewissen Etwas“
– Farben gestalten – neu von Grund auf oder per Farbvorlage
– Farben gestalten – spontan oder geplant
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