Bilderjurierung – effizient und fair

600/1000 Minuten pro Bild

Am letzten Samstag war ich zusammen mit 2 anderen Fotografen Juror bei einem regionalen Wettbewerb bayrischer Hobbyfotograf*innen. Zirka 1000 Fotos wurden in 10 Stunden juriert. Der Ablauf wies für einzelne Wettbewerbskategorien immer das gleiche Schema auf:

  • Bestimmen des “Besten Drittels”
  • Neubewertung des “Besten Drittels”
  • Festlegung von Medaillen und Urkunden

Neben der reinen Jurierung waren in den 600 Minuten auch Erholungs- und Essenspausen enthalten. Folglich wurden pro eingereichtem Bild durchschnittlich 0,6 Minuten, sprich 36 Sekunden, errechnet. Natürlich brauchten Bilder, die nicht zum “Besten Drittel” gehörten, weniger Zeit (gefühlt nicht länger als 10 Sekunden). Dagegen dauerten Wertungen und Diskussionen zum “Besten Drittels” länger.

Die Jurierung war offen, d.h. auch Wettbewerbsteilnehmer konnten anwesend sein. Das Feedback der Anwesenden war positiv. Unser Jurierungsergebnis scheint nachvollziehbar und fair gewesen zu sein.

Was sind die Schlüsse, die ich persönlich daraus ziehe ? Euer Feedback, sprich Kommentar, wäre für mich durchaus von großem Interesse.

 

Effizienz durch passende Organisation der Jurierung

Als Juroren waren erfahrene Fotografen aus dem Amateurfotografenbereich aktiv. Sie hatten ihre Befähigung durch eine Vielzahl von Jurierungen erlernt und erfolgreich unter Beweis gestellt. Auch hat die Arbeit in ihren Vereinen ihnen das Gefühl verliehen, wie Amateurfotograf*innen an fotografische Aufgabenstellungen herangehen. Folglich war für sie eine schnelle Bildbewertung keine schwere Aufgabe.

Der oben skizzierte Ablauf der Jurierung hat sich in ähnlicher Form bei vielen Jurierungen bestens bewährt. Um gruppendynamische Effekte zu vermeiden, gaben die Juroren ihre Bewertung ohne Diskussion und unabhängig am eigenen Erfassungsgerät ein. Als Feedback bekamen sie und die anwesenden Besucher pro Bild die Gesamtpunktezahl mitgeteilt.

Im Camera-Club Markt Schwaben, dem ich angehöre, führen wir sechsmal im Jahr Bilddiskussionen durch. Deren Aufgaben sind es,

  • Eigenschaften eines guten Bildes zu erkennen lernen,
  • Bilder von anderen treffender bewerten zu können und
  • mit Bewertungen eigener Werke besser umgehen zu lernen.

Ihr Ablauf ist etwa wie oben beschrieben. An Stelle von Medaillen und Urkunden werden gemeinsam Bilder des Monats als Auszeichnung bestimmt. Anschließend erst findet die eigentliche tiefgreifende Diskussion von Bildern statt. Daher haben wir beim letzten Male für 30 Bilder 180 Minuten gebraucht – also 6 Minuten pro Bild. Dies ist eben durch den hohen Diskussionsanteil zu erklären.

Folglich hängt die Effizienz der Jurierung sehr stark von den Jurierungszielen ab.

 

Fairness als Aufgabe des Jurors

Ein Juror bzw. Jurorin schafft keine neuen Werke, sondern hat vorgelegte Werke zu analysieren und interpretieren. Er / sie muss sich die erforderliche Zeit und Aufmerksamkeit nehmen, um fair zu seiner Wertung zu kommen.

Hilfreich dafür ist es dabei insbesondere,

  • nach dem unvermeidbaren ersten Eindruck sofort in Gedanken eine systematische Bildanalyse und -interpretation zu machen,
  • sich zudem grob Gedanken zu machen, wie er/sie bei Bedarf sein Urteil erklären kann,
  • möglichst konsistent Wertungen an unterschiedliche Werke zu vergeben.

Das muss sehr schnell gehen, weil in der Regel viele Werke zu bewerten sind.

 

IRIS – Eine Methode für Effizienz und Fairness

So haben Juror*innen sich in der Regel ihre Befähigung zur Bildbewertung durch eine ambitionierte fotografische Arbeit und Übernahme von Jurierungsaufgaben erworben. Ich selber habe mir seit 1981 eine Methodik erarbeitet, die ich auch mit IRIS bezeichne. Ein Überblick findet sich unter https://guenther-keil.com/die-iris-bildgestaltungsmethodik-im-ueberblick .

 

IRIS-Methodik

Unter dem Titel “Bildgestaltung – Schule Dein Auge !”  gebe ich Methodik-Kenntnisse auch an Interessierte weiter.

Einzelheiten finden sich unter http://www.ccms.de/?p=2283.

 

Stellvertreter der Autor*innen

Juror*in wird in der Endphase der Jurierung zum Stellvertreter der Autor*innen, indem er/sie bei der Vergabe von Medaillen und Urkunden argumentiert, was das jeweilige Bild auszeichnet. Gemeinsam mit den anderen Juror*innen sind dann die Auszeichnungen zu vergeben.

Nicht immer ist man dabei der gleichen Meinung. Umso hilfreicher ist es, wenn man als Juror*in die Stärken und Schwächen  eines Werkes (zumindest nach seinem persönlichem Eindruck) kennt.

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4 Responses so far.

  1. Ludwig Wiese sagt:
    Finde ich gut, wie Du den Ablauf von einer Jurierung deutlich machst.
    Wie läuft das eigentlich mit der einheitlichen Wirkung der Jury nach außen? Vermittelt der Veranstalter den Juroren die für den jeweiligen Wettbewerb gültigen Kriterien oder urteilt jeder nach seinem eigenen Schema?
  2. Günther Keil sagt:
    Der Veranstalter weist die Juroren vor der Jurierung in die Wettbewerbsbedingungen / -kriterien ein. Später übt sich der Veranstalter dann grundsätzlich in Zurückhaltung, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Juroren in ihrer Wertung beeinflusst zu haben. Die Wertungen der Juroren werden entsprechend vorher festgelegter Prozeduren erfasst und ausgewertet.
  3. Walter Schneider sagt:
    Das ist eine schöne Beschreibung eines Jurorentages!
    2 Fragen:

    Für was steht die Abkürzung IRIS?

    10 sec für die unteren 2/3 aller Bilder ist eine große Herausforderung an eine sachliche Bewertung.
    Fallen da nicht doch viele aufgrund von “Bauch”bewertung raus? Oder wegen zwischenzeitlichen Konzentrationstiefs? Zumindest bei manchen Juroren?

  4. IRIS ist keine Abkürzung und auch nicht als Frauenname gemeint, sondern als Teil des Auges.
    10 sec verlangen nach erfahrenen Juroren, damit es keine Bauchentscheidungen werden. Erfahrungsgemäß geht es recht gut, weil in der Regel die Wertungen der einzelnen Juroren beieinander liegen. Außerdem habe ich ja die “IRIS-Raute” (Aussage, Emotion, Gestaltung, Technik) als schnelle Prüfhilfe. Gegen Konzentrationstiefs helfen Pausen und Kaffee.

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